Wir wenden uns nun zu dem mitteldeutschen Teil des Harzgaus. Mitteldeutsche Grenzorte in der Richtung von Westen nach Osten sind Steina, Wieda, Zorge, Hohegeiß, Rothesütte, Gophienhof, Stiege, Allrode, Bärenrode, Alexisbad, Mägdesprung, Harzgerode, Wieserode, Neuplatendorf, Endorf, Westdorf, Aschersleben, Schierstedt, Giersleben, Warmsdorf, Güsten, Neundorf. Friedrichsbrunn im Harz hat gemischte Mundart. Dieses mitteldeutsche Gebiet ist sprachlich so wenig einheitlich wie das niederdeutsche. Es lassen sich drei Mundarten unterscheiden, die oberharzische, die unterharzische und die anhaltische, Gebiete VII, VIII und IX.

Wie 1072 die Höhen um Hüttenrode, Elbingerode und Hasselfelde von Fremden, den Nordalbingern, besiedelt wurden, so begann 450 Jahre später die Besiedlung des Oberharzes, Gebiet VII, gleichfalls durch Fremde, durch Bergleute aus dem Obererzgebirge und dauerte etwa bis zum Jahre 1620. Zwar hatte der von Goslar nach dem Oberharz verpflanzte Bergbau hier schon im 13. Jahrhundert um das Kloster Zelle als seinen Mittelpunkt eine gewisse Blüte erlebt, war aber schon im Jahrhundert darauf eingegangen. Die Bergleute hatten sich verzogen, die Mönche hatten sich nach Goslar gewandt, und das Kloster wurde 1431 endgültig aufgehoben. Da lockten reiche Silberanbrüche in der Gegend des heutigen Andreasberg im Süden und fast zur selben Zeit erfolgreiche Versuche, die ausgelassenen Gruben „des alten Mannes“ im Norden des Gebietes weiter zu bauen, rasch eine größere Anzahl Bergleute besonders aus Freiberg, Schneeberg, Annaberg und Joachimstal im Obererzgebirge an, und bald schossen die Bergstädte wie Pilze aus der Erde hervor. Diese Bergleute haben ihre mitgebrachte obererzgebirgische Mundart bis auf den heutigen Tag ziemlich rein bewahrt, was wohl ihrer Abgeschlossenheit im hohen Gebirge zumeist zu verdanken ist. Diese Mundart hat die Bayerische Lautverschiebung und unterscheidet den 3. Fall „mir“ vom 4. „mich“ und spricht g am Anfang der Worte wie k. Zu diesem Gebiet gehören die Orte St. Andreasberg, Clausthal, Zellerfeld, Oberschulenberg, Wildemann, Bockswiese und Hahnenklee, während Lautenthal, Altenau und Unterschulenberg gemischte Mundart haben.

 

 

Aus einem Gedicht in Clausthaler (Oberharzer) Mundart v. J. 1759. VII.

Harr Amtmann, mant[1] äns noch, ich hô[2] wos k'härt, 
Hâr[3] wess wull, toss unneräns mannings t'rfährt,
D'Leit sân, hî hô sich ä Vugel k'fange,
Hî wär ä Pardîsvugel ins Karn k'gange.
Ei, weiserne m'r doch mol, wenn's sist kann keschân[4],
Ich hô noch mai Tôg[5] ken Pardîsvugel k'sân.
Och Kunradsel, kuck mol, dâr Harr dort dâr lacht,
Dî Jumfer wert plûtrût, tos namm ich innacht.
Wâr[6] wess, wos wull hî v'r Pardîsvugels flîgen!
Se senn[7] wull net schichtern, se lossen sich krîgen.
O toss dich tos Mäusel beiss'! Nû sâ[8] ich's ain,
Dâr Harr dort, dâr wert wull d'r Vugelschtell'r sain.
Hâr schmuntert, hâr lachelt, hâr will m'rs net sân[9],
Hâr denkt wull, wos kît[10] tos dan Karrel doch ân.
Nû loss er's, sû'e Vugel will mir âch net kumme.
Of'n Hârz hô ich t'rglaichen mai Tôg net vernumme.
Sü' Vugel ze futtern, tos lif' m'r huch nân[11].
Tos Häusel âch, wû trêf' ä Parkmann tos ân?
                                                      
[1]
   nur
[2]   habe
[3]   er
[4]   geschehen
[5]   Lebtag
[6]   wer
[7]   sind
[8]   sehe
[9]   sagen
[10] geht
[11] käme mir teuer zu stehen